AG Bernau bei Berlin – Az.: 2 OWi 79/21 – Beschluss vom 09.09.2021
Dem Verteidiger ist Akteneinsicht in die gesamte Messserie vom Tattag sowie in die gegenständliche Tuff-Datei nebst Passwort und Token zu gewähren.
Die Akteneinsicht ist durch Übersendung in die Kanzleiräume, in geeigneten Fällen, nachdem der Verteidiger ein entsprechend geeignetes Speichermedium zur Verfügung gestellt hat, oder, wenn dies technisch nicht anders möglich ist, in den Räumen einer entsprechenden Verwaltungsbehörde in unmittelbarer Nähe zu den Kanzleiräumen des Verteidigers zu gewähren.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Betroffenen trägt die Staatskasse.
Gründe
Die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Brandenburg, Zentraldienst der Polizei, (im Folgenden als Verwaltungsbehörde / ZBSt bezeichnet), erließ am 09.08.2021 einen Bußgeldbescheid gegen die Betroffene. Der Vorwurf lautete auf fahrlässige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften am 17.05.2021. Die Messung erfolgte mit ES 8.0. Der Verteidiger beantragte bereits am 15.06.2021 gegenüber der ZBSt u. a. Einsichtnahme in die in die digitale Messserie einschließlich der entschlüsselten Rohmessdaten und die gesamte digitale Messserie der verfahrensgegenständlichen Messung. Mit Schreiben vom 29.07.2021 übersandte die Verwaltungsbehörde dem Privatsachverständigen daraufhin u. a. 1 CD mit Falldaten in jpg-Format mit Signatur, viewer und verwies hinsichtlich der Messserie auf die Einsichtnahme in die Räumlichkeiten der ZBSt. Der Verteidiger beantragte unter dem 20.08.2021 im Hinblick auf die verwehrte Übersendung der Falldatei nebst Token und Passwort und der Messreihe der Messung vom 17.05.2021 die gerichtliche Entscheidung.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 OWiG zulässig und begründet.
Der Betroffenen steht ein Anspruch auf Einsicht in die Messserie des Tattages sowie in die gegenständliche xml-Datei nebst Überlassung von Passwort und Token aus dem Recht auf faire Verfahrensgestaltung zu. Sie kann ein Interesse daran haben, den Vorwurf betreffende Informationen, die nicht zur Bußgeldakte genommen wurden, eigenständig auf Entlastungsmomente hin zu untersuchen. Wird ihr ein Geschwindigkeitsverstoß angelastet, muss sie deshalb selbst nach Entlastungsmomenten suchen können, die zwar fernliegen mögen, aber nicht schlechthin auszuschließen sind (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 17.03.2021, Az.: 1 OLG 331 Ss Bs 23/20, zitiert nach juris, m. w. N.).[…]