Zusammenfassung: Unter welchen Voraussetzungen ist ein Arbeitgeber zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt, wenn der Arbeitnehmer eine Haftstrafe zu verbüßen hat? Mit der Frage der Rechtmäßigkeit einer Kündigung eines Arbeitnehmers, der aufgrund der Verbüßung einer Freiheitsstrafe nicht auf der Arbeit erscheinen konnte, befasste sich das Bundesarbeitsgericht im anliegenden Urteil.
Bundesarbeitsgericht
Az: 2 AZR 381/14
Urteil vom 22.10.2015
Tenor
1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 29. Januar 2014 – 3 Sa 866/13 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 27. August 2013 – 4 Ca 1400/13 – teilweise abgeändert:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Der 1960 geborene, einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Kläger war seit 1989 als Verwaltungsfachwirt beim Landesbetrieb Straßenbau des beklagten Landes beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis war nach § 34 TV-L ordentlich unkündbar.
Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Aachen aus dem Juli 2011 wurde der Kläger wegen schweren sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung in jeweils mehreren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seit dem 18. Februar 2013 befindet er sich in Strafhaft.
Mit Schreiben vom 26. Februar 2013 bat das beklagte Land den Gesamtpersonalrat des Landesbetriebs Straßenbau um Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist. Der Gesamtpersonalrat stimmte der beabsichtigten Maßnahme am 28. Februar 2013 zu.
Unter dem 1. März 2013 beantragte das beklagte Land beim Integrationsamt die Zustimmung zu einer solchen Kündigung. Mit einem Schreiben vom 18. März 2013, dem eine Widerspruchsbelehrung beigefügt war, „bestätigte“ das Integrationsamt, dass die Zustimmung gemäß § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB IX als erteilt g[…]