Arbeitsgericht Berlin
Az.: 56 Ca 21280/08
Urteil vom 22.04.2009
Leitsatz:
1. Der vierwöchige Mindesturlaubsanspruch verfällt nicht, wenn ein Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt ist (vgl. EuGH [20.01.2009] – C-350/06 u.a. – Sch.-H.).
2. Es steht in der Freiheit der Arbeits- oder Tarifvertragsparteien, den Verfall eines darüber hinausgehenden arbeits-, tarifvertrag- oder gesetzlichen zusätzlichen Erholungsurlaubs mit oder nach dem 31.03. des Folgejahres zu bestimmen (vgl. BAG [24.03.2009] – 9 AZR 983/07), soweit nicht Sonderbestimmungen wie § 17 Abs. 2 BEEG gelten.
3. Ob eine arbeitsvertragliche Verfallklausel übergesetzliche Urlaubsansprüche auch im Fall durchgehender Arbeitsunfähigkeit erfassen soll, ist durch Auslegung zu ermitteln (BAG, a.a.O.).
4. Eine arbeitsvertraglich in Bezug genommene tarifvertragliche Urlaubsfristenregelung gilt im Fall durchgehender Arbeitsunfähigkeit nicht für den vierwöchigen Mindesturlaub (BAG, a.a.O.). Darüber hinausgehende tarifliche Urlaubsansprüche verfallen im Regelfall wie bisher. Es bedarf keiner Anhaltspunkte für eine tarifvertragliche Differenzierung zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Erholungsurlaubsansprüchen (gegen BAG [24.03.2009] – 9 AZR 983/07). Im Zweifel ist in einer tarifvertraglichen Verfallsregelung für Urlaubsansprüche eine Gleichbehandlung arbeitsfähiger und arbeitsunfähiger Arbeitnehmer gewollt (mit BAG [07.09.2004] – 9 AZR 587/03), soweit dies gesetzlich zulässig ist.
5. Dies gilt auch für den über § 3 Abs. 1 BUrlG hinausgehenden zusätzlichen Erholungsurlaub nach § 125 SGB IX (a.A. LAG Düsseldorf [02.02.2009] – 12 Sa 486/06).
I. Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 3.154,80 EUR brutto (in Worten: dreitausendeinhundertvierundfünfzig 80/100) brutto zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits z u3/5, das beklagte Land zu 2/5 zu tragen; bis auf die Kosten der Verweisung, die die Klägerin allein zu tragen hat.
IV. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.600,22 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung trotz mehrjähriger Arbeitsunfähigkeit.