BUNDESFINANZHOF
Az.: VII R 65/05
Urteil vom 05.06.2007
Leitsätze:
1. Werden fällig gewordene Steuerbeträge pflichtwidrig nicht an das FA abgeführt, kann die Kausalität dieser Pflichtverletzung für einen dadurch beim Fiskus entstandenen Vermögensschaden nicht durch nachträglich eingetretene Umstände oder durch die Annahme eines hypothetischen Kausalverlaufs beseitigt werden.
2. Die Frage, ob ein hypothetischer Kausalverlauf bei der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme Berücksichtigung finden kann, ist im Rahmen der Schadenszurechnung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks von § 69 AO zu beantworten.
3. Die Funktion und der Schutzzweck des in § 69 AO normierten Haftungstatbestandes schließen die Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe aus. Deshalb entfällt die Haftung eines GmbH-Geschäftsführers nicht dadurch, dass der Steuerausfall unter Annahme einer hypothetischen, auf § 130 Abs. 1 InsO gestützten Anfechtung gedachter Steuerzahlungen durch den Insolvenzverwalter ebenfalls entstanden wäre.
Tatbestand:
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde am 26. Juli 2001 neben dem bisherigen Geschäftsführer zum weiteren allein vertretungsberechtigten Geschäftsführer einer GmbH bestellt. Am 22. April 2002 stellte die GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 19. Juli 2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Nach erfolgter Anhörung erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) aufgrund rückständiger Lohnsteuern der GmbH sowie rückständiger Solidaritäts- und Säumniszuschläge gegenüber dem Kläger einen auf § 69 i.V.m. § 34 der Abgabenordnung (AO) gestützten Haftungsbescheid. Im Einspruchsverfahren nahm das FA den Haftungsbescheid teilweise zurück und setzte die Haftungssumme herab. Die daraufhin erhobene Klage hatte teilweise Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Kläger zu Unrecht für die nach dem 22. Januar 2002 fällig gewordenen Beträge in Anspruch genommen worden sei. Darüber hinaus könne er nicht für Säumniszuschläge in Anspruch genommen werden, die vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer fällig geworden seien. Der Haftungsbescheid sei zumindest deshalb rechtswidrig, wei[…]