BUNDESFINANZHOF
Az.: VII B 92/08
Beschluss vom 14.07.2008
Leitsätze:
1. Begründen Tatsachen den Verdacht einer Tat, die den Straftatbestand einer rechtswidrigen Zuwendung von Vorteilen i.S. des § 299 Abs. 2 StGB erfüllt, so ist die Finanzbehörde ohne eigene Prüfung, ob eine strafrechtliche Verurteilung in Betracht kommt, verpflichtet, die erlangten Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten.
Das Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“ und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebieten es nicht, dass das FA vor der Übermittlung der den Tatverdacht begründenden Tatsachen prüft, ob hinsichtlich der festgestellten Zuwendungen Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist oder Verwertungsverbote bzw. Verwendungsverbote vorliegen .
2. Ein Verdacht i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 10 Satz 3 EStG, der die Information der Strafverfolgungsbehörden gebietet, besteht, wenn ein Anfangsverdacht im Sinne des Strafrechts gegeben ist. Es müssen also zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Tat nach § 4 Abs. 5 Nr. 10 Satz 1 EStG vorliegen.
Tatbestand:
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), ein produzierendes Unternehmen, leistete in den Jahren 1995 bis 2002 Zahlungen an Herrn S., den Einkäufer eines maßgeblichen Kunden, in Höhe von 10 v.H. des Wertes der von diesem im Namen des Kunden bei der Antragstellerin bestellten Waren.
Anlässlich einer Betriebsprüfung bei der Antragstellerin im Jahr 2006 gelangte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) zu der Auffassung, dass die Zahlungen der Antragstellerin an Herrn S. den Tatbestand des § 299 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs (StGB) –Bestechung im geschäftlichen Verkehr– erfüllen könnten. Er beabsichtigt daher, die erlangten Erkenntnisse über diese Zahlungen wegen des Verdachts einer Strafbarkeit gemäß § 299 StGB an die Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten.
Den daraufhin gestellten Antrag, dem FA im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die im Rahmen der Betriebsprüfung erlangten Informationen über die Zahlungen an Herrn S. an die zuständige Straf- und Bußgeldstelle zur Weiterleitung an die zuständige Staatsanwaltschaft weiterzugeben, wies das Finanzgerich[…]