BVerfG
Az.: 1 BvL 1/01 – 1 BvR 1749/01 –
Urteil vom 09.04.2003
L e i t s ä t z e
1. § 1612 b Abs. 5 BGB verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit er zur Sicherung des Existenzminimums des unterhaltsberechtigten Kindes die Anrechnung des Kindergeldes auf den Kindesunterhalt von der Leistungsfähigkeit des barunterhaltspflichtigen Elternteils abhängig macht und diesen vor dem betreuenden Elternteil verpflichtet, seinen Kindergeldanteil zur Deckung eines Defizits beim Kindesunterhalt einzusetzen.
2. Das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG gebietet dem Gesetzgeber, bei der von ihm gewählten Ausgestaltung eines Familienleistungsausgleichs Normen zu schaffen, die auch in ihrem Zusammenwirken dem Grundsatz der Normenklarheit entsprechen. Dem genügen die das Kindergeld betreffenden Regelungen in ihrer sozial-, steuer- und familienrechtlichen Verflechtung immer weniger.
In den Verfahren
I. zur verfassungsrechtlichen Prüfung des § 1612 b Abs. 5 BGB in der Fassung des Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 2. November 2000 (BGBl I S. 1479)
II. über die Verfassungsbeschwerde
hat das Bundesverfassungsgericht – Erster Senat – am 9. April 2003 beschlossen:
1. § 1612 b Absatz 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 2. November 2000 (Bundesgesetzblatt I Seite 1479) ist mit dem Grundgesetz vereinbar. 2. Die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 1749/01 wird zurückgewiesen.
Gründe:
A.
Die Richtervorlage und die Verfassungsbeschwerde betreffen die Nichtanrechnung von Kindergeld auf den Kindesunterhalt nach § 1612 b Abs. 5 BGB.
I.
Zum Ausgleich der mit dem Unterhalt und der Betreuung von Kindern verbundenen Belastungen erhielten Eltern bis Ende 1974 Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) und Kinderfreibeträge nach dem Einkommensteuergesetz (EStG). Das Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August[…]